Jon ist schon seit gestern damit beschaeftigt, den zweiten Computer zum Laufen zu kriegen, aber draussen herrscht auch heute nach wie vor herrliches Wetter und so gehe ich eben alleine raus.
Den Coastal Trail nach Norden hab ich ja schon vorher bis hinter Marina ausgekundschaftet, aber wozu wohnt man am Meer, wenn man nie an den Strand geht?
Die ersten paar hundert Meter wandere ich noch auf dem Coastal Trail, doch schon bald biege ich nach links in die Duenen ab, wo mich ein Holzweg durch die zedernbewachsene Sandlandschaft zum Strand fuehrt. Rechts und links ist der Weg von niedrigen Holzzaeunen gesaeumt und ueberall sind Schilder aufgestellt, dass man die Duenen ja nicht betreten darf. Aber das kennen wir ja schon aus Holland. Duenenschutz ist auch hier Kuestenschutz.
Am Strand ist zunaechst noch einiges los, der schoene Sonnenschein und - bis auf den am Strand allgegenwaertigen kalten Wind - angenehme Temperaturen haben andere Spaziergaenger mit und ohne Hunde und Sonnenanbeter angelockt. Sogar zwei Surfer trauen sich - allerdings in Neoprenanzuegen - in das kuehle Nass des Pazifik.
Je weiter ich jedoch nach Norden vordringe, desto weniger Menschen begegne ich. Der Zugang vom Strand wird hinter dem letzten Hotel meist durch Zaeune oder hohe Duenen erschwert, am Strand entlang zu laufen ist aber gerade bei Ebbe, die immer noch herrscht, problemlos moeglich.
Ich habe meine Sandalen ausgezogen und laufe an der Kuestenlinie entlang, immer mal wieder umspuelt eine Welle meine Fuesse. Die Wellen, die in Monterey selber aufgrund seiner geschuetzten Lage in einer weiten Bucht nur so vor sich hin plaetschern, werden immer hoeher und gewaltiger. Immer mehr unterschiedliche Vogelarten sind zu beobachten.
Snowy Plovers, kleine lustige Voegel auf Futtersuche, huschen mit jeder abziehenden Welle bis zur Wasserlinie vor, picken blitzschnell in den Sand und rennen vor der naechsten Welle davon, als haetten sie Angst, nasse Fuesse zu kriegen. In Wirklichkeit sind diese Voegel aber so winzig, dass schon eine kleine Welle sie komplett ueberspuelen und ertraenken wuerde. Ohne es zu wollen, treibe ich die Tiere vor mir her. Jedes Mal, wenn ich fast nah genug bin, um sie fotografieren zu koennen, laufen sie ein Stueck weiter am Strand entlang und diagonal zur Kuestenlinie der Welle und mir davon, bis sie sich schliesslich durch entgegenkommende Spaziergaenger gestoert in die Luefte erheben um sich ein ruhigeres Plaetzchen fuer ihr Spiel mit dem Ozean zu suchen.
Vor mir sehe ich nun eine Art Klippe oder Felsen, der sich von den Duenen aus fast bis zur Wasserlinie erstreckt. Beim Naeherkommen bemerkte ich jedoch, dass dieses Hindernis kein natuerlicher Felsen ist, sondern Asphalt, Beton und Stahl wie von einer abgebrochenen Strasse. War hier ein Erdbeben verantwortlich fuer das Verschwinden einer frueheren Kuestenlinie?
Wie dem auch sei, die Natur ist dabei, ihr Terretorium zurueck zu erobern. Auf dem Stein haben sich mehrere kleine Muschelarten angesiedelt, Zeugnis dafuer, dass hier bei Flut kein Durchkommen mehr ist. Das Wasser ist mittlerweile schon so hoch gestiegen, dass ich gerade noch auf die andere Seite des "Felsens" gelangen kann.
Wenn ich ja etwas nicht mag am Strand, dann sind es tote Robben. Die heutige ist zum Glueck weitgehend vollstaendig - bei der letzten hat der Kopf gefehlt - aber auch hier haben die Moewen ihre Aufraeumarbeiten begonnen und sind fleissig dabei, Loecher in das noch nasse Fell zu picken, um an das gute Fleisch zu kommen. Die Augen der Robbe sind nur noch Hoehlen. Schnell gehe ich weiter.
Der Sonnenschein droht mehr und mehr im Nebel zu verschwinden, doch so wirklich erreiche ich ihn nie, die Sonne kann sich doch immer wieder durchsetzen.
Meine Jacke ist aussen feucht von der Gischt, so gewaltig sind die Wellen, dass sie sich gegenseitg treffen und hohe Wasserfontaenen in die Luft spritzen.
Die herankommende Flut macht das Laufen im tiefen Sand immer beschwerlicher, der Sand selber ist nicht mehr so fein wie in Monterey, sondern besteht nun fast aus winzigen Kieselsteinchen. Die Duenen, mit bodenbedeckenden rotgruenen und saftigdicken Pflanzen bewachsen, werden noch hoeher. Zu den ueberall am Strand ueblichen vom Meer angespuelten Haufen von gelbbraunen Schlingenalgen - wenn man auf sie tritt, spritzen sie einen kleinen Wasserstrahl aus der vorderen Oeffnung - gesellen sich an diesem wilderen Strandabschnitt nun auch noch halbdurchsichtige gruene Algen, die entfernte Aehnlichkeit mit Blattsalat aufweisen, und vollstaendig durchsichtige Quallen oder Quallenteile, so genau kann ich das nicht beurteilen.
Weiter noerdlich sieht es mir nicht so aus, als waere irgendwo ein Durchkommen zum Coastal Trail, die Duenen sind meist zu steil zum Hochklettern und ich will den Bewuchs nicht zerstoeren, also waehle ich einen niedrigen, unbewachsenen "Pass" zwischen zwei Duenen, um den Strand zu verlassen. Ich setze mich fuer ein paar Minuten in den warmen Sand, atme die salzige Luft und den kalten Wind ein und bin immer noch erstaunt, wie weit ich von meiner Heimat entfernt bin. So weit wie nie zuvor, doch ich bin gluecklich.
Der "Pass" fuehrt nicht geradewegs zum Radweg zurueck, sondern auf ein ca. 20 m tiefes, ebenso langes und breites Tal zu, in dem sich ein paar Kids getroffen haben, auf Wolldecken sitzen und Feuer machen. Ich umrunde das Tal und erreiche auf der Hoehe der hoechsten Duene der Umgebung den Coastal Trail. Diese Duene ist vom Freeway aus sichtbar und so wird sie dazu genutzt, Vorbeifahrerenden Nachrichten zu hinterlassen, die mit getrockneten Pflanzenteilen in den Sand gestreut werden. Jeden Tag sind andere Botschaften zu sehen, meist Geburtstagsgruesse oder Liebesbeweise.
Ueber den schon bekannten Coastal Trail wandere ich zurueck nach Hause.
Die ganze "Reise" dauert etwas ueber drei Stunden.
Dunkle Tage
vor 4 Stunden
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