15 April 2007

Hurricane Country


Katrina und Rita haben ganze Arbeit geleistet, aber Aufgeben ist was fuer Nicht-Amerikaner und so werden die Haeuser, die von Wind und Wasser zerstoert worden sind, wieder aufgebaut. Wer Geld hat, hat schon lange ein neues Haus. Wer kein Geld hat, lebt immer auch fast zwei Jahre nach dem Sturm noch im Wohnwagen und baut sein Haeuschen drumherum bzw. drueber hinweg, denn das ist wenigstens eine Vorsichtsmassnahme, die die Leute hier an der Kueste ergreifen: Sie bauen ihre Haeuser auf Stelzen. Das sieht lustig aus, aber wenn das Wasser keine Angriffsflaeche hat, kann es sein, dass ein einfach nur das Untergeschoss umspuelt und das Haus stehen bleibt.
Das Land ist flach und die Haeuser stehen direkt am Strand. Eigentlich sollte das alles Wildnis sein, so denkt mein europaeisches Herz. Alles ist sumpfig und mit einem dichten Netz von Fluessen, Baechen und Mooren ueberzogen. Die Baeume wachsen selbst in flachen Seen, aber viele haben Katrina nicht ueberlebt und ragen als tote Stuempfe und Mahnmahle aus dem Wasser. Schilder fuer Geschaefte und Restaurants stehen noch, aber die Laeden selber sind weg. Entweder hat man die Reste schon abgerissen oder sie sind einfach weggespuelt worden. Wir essen im Hurricane Cafe, einem grossen schaebigen Wohnwagen, dem einzigen Restaurant des winzigen Kaffs an der Golfkueste, 80 Meilen von der naechsten Stadt entfernt. Die Laeden, die das GPS anzeigt, gibt es nicht mehr. Wenige Haeuser sind schon wieder neu gebaut, die meisten liegen aber noch immer in Truemmern.
Von New Orleans nach Biloxi dann, wo Katrina gewuetet hat, ganze Strassenzuege verlassener Mietskasernen ohne Fenster, die nur darauf warten, abgerissen zu werden. Zu nichts anderem mehr zu gebrauchen. Halb abgerissene Haeuser, seltene Neubauten. Leerstehende Einkaufszentren, Geisterstaedte. Es ist ein bisschen unheimlich und ziemlich deprimierend und Jon, der sechs Monate in Biloxi gewohnt hat - vor dem Sturm - vergleicht: Hier stand das und das Gebaeude. Dies ist noch da - selten - dies ist weg - oft. Und dann schleicht sich bei mir wieder Unverstaendnis ein. Die Strasse fuehrt direkt am Strand entlang. Rechts und links waren Geschaefte, Hotels und Restaurants, die nun langsam wieder aufgebaut werden. Einige auf Stelzen, andere nicht. Jeder wie er meint. Warum wird hier kein Damm gebaut? Ich denke an die hollaendische Kueste. Platz ist genug vorhanden, dafuer hat Katrina gesorgt.
Aber das ist nicht die amerikanische Mentalitaet. Hier ist jeder fuer sich selbst verantwortlich. Warum sollte der Staat seine Buerger vor Naturgewalten schuetzen und einen Damm bauen? Dann muesste man ja mehr Steuern nehmen. Individualismus wird so gross geschrieben. Das passt zur fehlenden Krankenversicherungspflicht und so vielem anderen hier. Das ist eben auch Freiheit. Die Kehrseite der Medaille.

Wir sind in den letzten Tagen endlich Texas entkommen und ueber Louisiana und Mississippi nach Alabama gelangt. Hier in Montgomery werden wir die naechsten fuenf Wochen im Hotel wohnen. Erst im Mai geht die Reise weiter nach Florida. Dass wir im Sueden sind, merkt man heute an den Temperaturen aber nicht. Es ist ganz schoen kalt und zum Laufen hatte ich zum ersten Mal seit Flagstaff mal wieder Handschuhe an.

Zum Rennbericht aus New Orleans

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