Wir wollen wandern! Und zwar am Carmel River entlang vom Los Padres Trailhead aus. Alles ganz in der Nähe, wir fahren etwa 20 Meilen mit dem Auto und schon sind wir da.
Der Parkplatz direkt am Beginn des Wanderweges sollte man nach Auskunft eines einheimischen Waffennarrs, der hier jeden Mittag seinen Hund ausführt, nur benutzen, wenn man plant, spätestens am Abend wieder zurück zu sein und sein Auto aus der Gefahrenzone zu bringen. Zahlreiche Glasscherben von Autofenstern auf dem Boden lassen vermuten, dass an dem Rat etwas dran sein könnte und so bringt Jon das Auto lieber zur nahgelegenen Carmel River Ranger Station, die immer besetzt ist und wo wachsame Staatsdiener ein Auge auf das kostbare Stück haben. Zu viele Autos sind hier schon ausgeraubt worden als dass wir dieses Risiko eingehen wollen.
Auch unser neuer Freund, dessen Kopf eine Kappe der NRA - National Rifle Assosiation - ziert, steigt mitsamt seines schon etwas altersschwachen Hundes in seinen schon etwas altersschwachen Pickup-Truck, lässt ihn einige Zeit warmlaufen, wünscht mir eine gute Reise und tuckert langsam davon.
Der Wanderweg fängt direkt hinter dem Tor an. Er befindet sich auf dem Gelände der kalifornischen Wassergesellschaft, die allerlei Verbote und Verhaltensregeln für das amerikanische Equivalent eines Wasserschutzgebietes aufgestellt hat. Immerhin liefert der Los Padres Stausee Wasser für das Tal von Carmel, die Monterey Halbinsel und Marina. Der Wanderweg ist beliebt, gut markiert und viel begangen und auch der Stausee selber ist ein zum Angeln und Schlauchbootfahren gerne genutztes Naherholungsgebiet.
Der Damm ist aus Erde und der Eigentümergesellschaft eigentlich zu klein. Ein Gesuch, einen doppelt so hohen Stahldamm aufzustellen und damit das komplette Tal zu überfluten wurde aber in einem Volksentscheid abgelehnt.
Auf dem Weg zum Damm sehen wir eine Wetterstation, die Jon natürlich aus berufsmäßgem Interesse unter die Lupe nimmt.
Der Carmel River unterhalb des Stausees ist voller, als man das zu dieser Jahreszeit erwarten würde. Dabei können wir nur ein einziges schmales Rohr entdecken, dass Wasser sprudelt und den Fluss speist.
Wenn der Wasserspiegel des Stausees im Winter und Frühjahr nach heftigen Regengüssen und Winterstürmen zu hoch ansteigt, fließt das Wasser über eine Art Rutsche aus Beton in den weiteren Verlauf des Flusses.
Die Gefahr besteht zur Zeit jedoch absolut nicht, eher kommen Zweifel auf, ob noch genug Wasser vorhanden ist nach diesem trockenen Jahr, bevor es endgültig anfängt zu regnen.
Noch ist der Wanderweg breit genug für ein Auto. Das Wetter ist herrlich und endlich mal schön warm, so dass wir beim Aufstieg über den Stausee bald ins Schwitzen kommen.
Nach einer Weile wird aus der Staubstraße der Carmel River Trail. Wir hatten eigentlich vor, neun Meilen weit zum Hidden Camp - zum versteckten Camp - zu gehen, aber irgendwie fühlen wir und nach der Martini-Party am Vorabend nicht so richtig fit. Meine Knie sind außerdem etwas überlastet - daher diese schicken Bandagen, die aber wirklich helfen - und so beschließen wir, den Weg um die Hälfte zu verkürzen, zum Bluff Camp zu gehen und dort unser Zelt aufzuschlagen. Damit ersparen wir uns auch zwei Dutzend Flussüberquerungen. So laufen wir am Rand der Schlucht auf schmalen Wegen gesäumt von Poison Oak, gegen das ich mich gut eingecremt habe. Die Bäume leuchten in den herrlichsten Rot-, Orange- und Gelbtönen. Sycamores, Eichen und Kastanien bescheren uns einen Indianersommer wie er im Buche steht.
Um die Überquerung des Danish Creek - des dänischen Bachs - die schon eine komplizierte Angelegenheit ist, wenn man sich keine nassen Füße holen will, kommen wir nicht herum.
Hier kommen wir nach nicht ganz zwei Meilen an ein erstes inoffizielles Camp. Eigentlich ist das Übernachten hier noch verboten, aber die drei jungen Leute aus San Francisco, die wir hier treffen, haben sich von dem Verbot nicht stören lassen und sind gerade dabei, ihr Zelt einzupacken.
Wir grüßen nur kurz und entscheiden uns für den Weg nach links zum Carmel River. Verwirrt ziehen wir unsere Wassersandalen an, denn an dieser Stelle kann man den Fluss nicht über Felsen überqueren. Immerhin sind wir vorbereitet, denken wir, und waten durch das wadentiefe Wasser. Leider rutsche ich etwas unglücklich auf einem Stein aus und sitze plötzlich halb im Wasser. Na toll! Zum Glück habe ich mein Schal-Wickelrock-Kopf-Alleskönner-Tuch dabei, so muss ich nicht in nasser Hose weiter. Die Bandagen trocknen ruckzuck.
Schon nach ein paar Metern wieder eine Flussüberquerung. Na gut, denke ich, hab ich die Wegbeschreibung wohl nicht ganz richtig gelesen.
Doch auf der anderen Seite wird es nur noch unwegsamer. Eine Weile versuchen wir noch, uns durch den Fluss und am Fluss entlang zu kämpfen, doch wir müssen einsehen, dass wir uns verlaufen haben und zum Camp zurück müssen.
Tatsächlich brechen die beiden Jungs und ihre kleine Schwester auch gerade auf, als wir wieder zurück kommen. Wir unterhalten uns noch ein bisschen und stimmen schließlich darin überein, dass der Weg bergauf nach rechts der richtige sein muss. Die drei brechen auf, während Jon und ich unsere Wanderschuhe wieder anziehen. Das war wohl nichts!
Es ist nicht mehr weit bis zum Bluff Camp, das wir etwa eine Dreiviertelstunde später erreichen. Der Weg ist wunderschön und auch wenn wir heute nicht so weit kommen steht fest, dass wir wiederkommen!
Auf dem Rückweg am nächsten Tag treffen wir auch unseren Anwohner wieder, der wieder mit seinem Hund und einer Dose Bier seine Runde dreht. Wie er sind wir der Meinung, dass der Herbst die beste Jahreszeit für eine Wanderung hier ist. Im Frühjahr und Sommer, so meint er, wird man nämlich zu allem Überfluss von den Mücken aufgefressen. Die einzigen Mücken, die uns gestern überfallen haben, waren an dem inoffiziellen Camp. Ansonsten war auch das Bluss Camp am Carmel River mückenfrei.
Das Auto ist noch da und nicht ausgeraubt. Durch eine Siedlung Mobilheime, die, wie Jon versichert, billigste Art zu wohnen, fahren wir an Briefkästen mit Einschusslöchern vorbei wieder nach Hause. Der einzige Halt, den wir noch machen ist bei Trader Joe's, um Brötchen, Schinken und Käse zu kaufen, die nicht durch und durch amerikanisch schmecken.
13 November 2005
Carmel River
Eingestellt von Kerstin um 21:12
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