20 Juli 2009

Western Pleasure

Jetzt weiß ich auch endlich, warum es "Pleasure", also "Vergnügen" heißt. In dieser Disziplin des Reitsports geht es darum, bewusst langsam zu machen, besonders präzise zu reiten, sich selber so wenig Arbeit wie möglich zu machen und ein williges, gehorsames Pferd zu haben, dass auf die kleinsten Hilfen reagiert. Das reinste Vergnügen. Wer sich am wenigsten (sichtbar) anstrengt hat gewonnen. Im Gegensatz zu Speed Shows wie Barrel Racing, Pole Bending usw., bei dem man so schnell - und natürlich auch hier so präzise - wie möglich um Tonnen oder Stangen reiten, oder zum Distanzreiten, bei dem man so schnell wie möglich lange Strecken im Gelände absolvieren muss, geht es bei der Western Pleasure in erster Linie darum, möglichst entspannt auszusehen.
So schnell wie möglich ist in der Schwangerschaft nie eine gute Idee, zu hoch ist hier die Verletzungsgefahr. Da Brownie nun aber da ist, ein sehr zuverlässiges Pferd, das auch seine Bewegung und Abwechslung braucht und es so viel Spaß macht und Freude bereitet ihn zu reiten, kommt mir im Moment Western Pleasure sehr entgegen.

Die Pferde laufen in allen Gangarten so langsam wie möglich und immer wieder gibt es kurze Denkpausen. Die Unterdisziplin des Western Pleasure, die mir besonders gut gefällt, ist Trail.
Auf dem Reitplatz - ich gehe jetzt sowieso nicht mehr so gerne alleine ausreiten, wiederum wegen der Verletzungsgefahr - werden Hindernisse aufgebaut, die nach vom Veranstalter vorgegebenem Muster überwunden werden müssen. Gesprungen wird natürlich nicht, sondern man muss zum Beispiel zu Pferd über eine künstliche Brücke reiten, das rückwärts oder seitwärts durch ein Stangenlabyrinth navigieren, vom Pferd aus ein Tor öffnen, hindurch reiten und wieder schließen ohne das Tor loszulassen, über Plastikplanen reiten, das Pferd in einem Stangenviereck um 360 oder 180 Grad wenden und andere Gemeinheiten ähnlicher Art.

Schon früher in Deutschland hatte ich viel Spaß an solchen Aufgaben, und nun bringt die Unmöglichkeit, schnelle Barrel Races zu reiten, mich wieder dahin zurück. Nachdem Stephanie mir auch noch von einigen Turnieren dieser Art, die im Spätsommer und Herbst in der Nähe abgehalten werden, erzählt hatte, stand mein Entschluss fest. Ich trainiere Western Pleasure.

Heute war es zum ersten Mal so weit. Noch mit dem falschen Zaumzeug und Zügeln - ich muss das die Tage mal austauschen - fuhr ich nach dem Abendessen zu meinem ersten offiziellen Pleasure Training. Nicht, dass ich einen Trainer hätte oder das sonst irgend jemand da gewesen wäre, der mir hätte Tipps geben können, aber ein paar Sachen weiß ich auch so noch. Ich wollte einfach mal sehen was Brownie zum einhändige Reiten sagt, wie gut das Anhalten, Gangarten Wechseln und Wenden auf den Punkt klappt und überhaupt.
Western Pleasure ist Konzentrationssache. Nicht den Körper sondern den Kopf muss man anstrengen, aber Körperbeherrschung spielt eine große Rolle, wenn das Pferd auf Gewichtsverlagerung und feine Hilfen hören soll.

Und was soll ich sagen? Natürlich lief am Anfang noch nicht alles rund, aber alleine das Training war das reinste Vergnügen. Für einen ungeduldigen Menschen wie mich eine wunderbare Übung, denn je ruhiger ich machte, je mehr ich zwischendurch inne hielt und mein Pferd und mich zur Ruhe und Konzentration kommen ließ, desto besser klappte es. Ich fing mit ganz einfachen Übungen an und als es dann etwas komplizierter wurde und Brownie etwas hektisch half es mich daran zu erinnern, Pause zu machen. Einen Schritt zurück gehen, nochmal versuchen. Die Übungen in kleine Schritte einteilen. Es muss nicht alles von Anfang an komplett durchgezogen werden.
Ich merkte auf einmal, warum das mit dem Tor nie geklappt hat. Wenn das Tor praktisch auf ihn zukommt, weicht er nach hinten aus. Da ich das Tor aber in der Hand habe weicht er immer weiter aus und es "verfolgt" ihn sozusagen. Ein Teufelskreis. Also muss er nun erstmal lernen, dass das Tor IHM ausweicht, wenn er darauf zu geht. Wenn Jon wieder da ist kann er mir helfen und erstmal das Tor für mich halten, während ich darauf zu reite. Heute habe ich mir damit beholfen, dass ich abgestiegen bin und ihn geführt habe, während ich das Tor schloss. Ich glaube, ich habe damit einen Denkprozess in Gang gesetzt.

Das ist nur ein Beispiel, und es macht unheimlich Spaß und ist eine tolle Herausforderung über solche Probleme nachzudenken, Lösungen zu suchen und in die Tat umzusetzen. Als ich nach dem Reiten nach Hause fuhr ging es mir so gut und ich war total entspannt wie sonst nach dem Yoga oder so. Ich hatte da vorher nie solche Parallelen gesehen.

Um mich zu motivieren brauche ich immer ein Ziel, auf das ich hin arbeiten kann. Ich glaube, beim Reiten habe ich so ein neues Ziel nun gefunden. Ich bin jedenfalls mal gespannt, wie wir uns mit mehr Training beim Turnier machen werden und freue mich schon auf die neuen Erfahrungen!

5 Kommentare:

michi hat gesagt…

Finde ich alles ziemlich interessant. Dass Du auch beim Reiten ein Ziel brauchst ebenso wie diese Übungen. Man benötigt ja so schon gut Konzentration und Gefühl für sein Pferd, damit es auf Hilfen und dergleichen reagiert, hier benötigt es auch noch sehr viel Vertrauen zum Reiter, wie z.B. bei der Geschichte mit dem Tor. Auch über Planen gehen oder Brücken (ist das wie eine Waage, die kippt wenn man in der Mitte angekommen ist?) benötigt Vertrauen, wenn es wackelt oder knistert. Finde ich eine klasse Sache und Übung, für Reiter, wie Du schon schreibst, dass Du ruhiger wirst und fast entspannst und auch für das Pferd.

Vielleicht magst Du darüber mal weiter berichten, ich fände das spannend.

Jasmin... hat gesagt…

"Die Übungen in kleine Schritte einteilen. Es muss nicht alles von Anfang an komplett durchgezogen werden."

EIne wunderbare Erkenntnis, die sich doch auf so viele Dinge im Leben anwenden lässt - auf's Laufen, Auf's Reiten, auf's neue Dinge lernen im Allgemeinen!
Häufig sehen wir eben nur die riesige Aufgabe vor uns, die uns zu überwältigen droht mit ihrer Komplexität, so dass man es vielleicht gleich ganz sein lässt. Wenn man sie dann aber in kleine Schritte zerlegt wirkt sie oftmals gar nicht mehr so bedrohlich und man kann sie angehen!
Schön!

Pienznaeschen hat gesagt…

Ist Brownie gar keine Stute? Komisch, für mich war er selbstverständlich eine ;)

Das klingt unheimlich spannend und ich schließe mich Michi an das ich gerne mehr darüber lesen würde ... ;)
Pferde sind so kleine Sensibelchen, oder? (absolut positiv gemeint;))

Kerstin hat gesagt…

Michi, mit Ziel vor Augen ist alles einfacher. Wenn ich Schwierigkeiten habe mich aufzuraffen kann ich mir dann eher sagen, dass ich ja ein konkretes Ziel erreichen will.
Jassi, genau, immer einen Schritt nach dem anderen. Dann klappt das auch. Also nicht nur auf das Endziel schauen, sondern vor allem auch den Weg, den man gerade geht, im Auge behalten. Das kann ich relativ gut.
Julia, mit Stuten hab ich nichts am Hut, ganz im Gegensatz zu meiner Freundin Stephanie, die fast nur Stuten hat. Pferde sind Fluchttiere. In der Wildnis haengt ihr Ueberleben davon ab, den Feind zuerst zu sehen und so schnell wie moeglich abzuhauen. In der Zivilisation kann das hinderlich sein wenn sie meinen, der "Feind Saebelzahntiger" sitzt in der naechsten Muelltonne am Strassenrand oder hat sich unter einer Plastikplane versteckt, die sonst nicht so da liegt. Zum Glueck gehoert Brownie aber insgesamt zu den gelasseneren Exemplaren.

Pienznaeschen hat gesagt…

Keine Ahnung warum Brownie für mich immer eine Stute war ;)

Ich kann mir vorstellen das es viel Geduld und vorallem vertrauen braucht um diesen natürlichen Instink zu verändern ... spannede Sache und es macht bestimmt Spaß.